Die erste topologische Wende hat sich in der Mathematik vollzogen und die euklidische Geometrie durch eine topologische erweitert. Diese topologische Wende hatte aber nicht nur Auswirkungen in der Mathematik sondern auch auf andere Disziplinen und Fachbereiche: Der Psychologe Kurt Lewin z.B. greift die Topologie auf und versucht ein topologisches Modell in der Psychologie zu entwerfen und entwickelt seine Feldtheorie. Auch der russische Biologe Gurwitsch entwickelt eine Feldtheorie des biologischen Lebens mit Bezug zur mathematischen Topologie.
Dennoch bleibt diese erste topologische Wende ohne weitreichende Folgen. Dies mag u.a. daran gelegen haben, dass damals keine fruchtbaren transdisziplinären Bemühungen von Seiten der Philosophie ausgingen, diese verschiedenen einzeldisziplinären Feldtheorien zu reflektieren und zu integrieren. Auch die Umstände der beiden Weltkriege sorgten dafür, dass die Forschung der Feldtheorien nicht die erforderliche Kontinuität erfuhr. So kam es Mitte des 20. Jahrhundets dazu, die begonnenen topologische Ansätze außerhalb der Mathematik nicht weitergeführt wurden.
Erst mit dem Aufkommen der Selbstorganisationstheorien in den 80er Jahren wurder der inderdiszplinäre Dialog wieder lebendig und der Versuch unternommen, ein gemeinsames neues Paradigma einzuführen. Die Selbstorganisations- und Systemtheorien waren darin sogar recht erfolgreich und schafften es, fast alles Disziplinen in miteinzubeziehen.
Die vorherrschenden soziologischen Selbstorganisations- und Systemtheorien hatten einen entscheidendes Merkmal: sie waren in ihrem erkenntnistheoretischen Standpunkt von dem damals populären Konstruktivismus stark beeinflusst und waren nicht in der Lage erfahrungsbasierte Raum- und Feldphänome zu thematisieren. Hinzu kam dass in der damals dominanten (Luhmannschen) Systemtheorie der Raum zugunsten der Zeit ganz ausgeblendet wird. Die Selbstorganistaions- und Systemtheorien des ausgehenden 20. Jahrhunderts entsprachen also dem damaligen Zeitgeist, und klammerten Raum- und Feldphänome nahezu komplett aus.
Erst der "spatial turn" und insbesondere der "topological turn" der zu Beginn des 21. Jahrhunderts an in den Kultur- und Sozialwissenschaften an Fahrt gewinnt, macht erneut auf räumliche Kategorien und Phänomen aufmerksam, und stellt den Bezug zu ersten topologische Wende her, wie sie bereits in der Mathematik vollzogen hat. Auch der Bezug zu den früheren toplogischen Ansätzen von Lewin und Gurwitsch wird erneut hergestellt.
Parallel mit dem westlichen "topological turn" ist auch im Westen der Einfluss der japanischen Philosophie spürbar, in welcher der "topological turn" schon eine westliche längere Tradition hat. Denn im Unterschied zum Westen ist dort mit dem Philosophen Nishda zu Beginn des 20. Jahrhunderts schon diese Wende eingeleitet worden, die sich bis heute auch in verschiedene andere Dispzilinen wie Psychologie oder Soziologie vorsetzt. Man erhält den Eindruck, also ob sich diese erste topologische Wende im Westen zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur in Japan hat bis heute ungehindert fortsetzen können und jetzt wieder in den Westen zurückimportiert werden muss, damit hier der Anschluss an die japanische Diskussion geschafft wird.
Dem "topological turn" im 21. Jahrhundert kann also folgenden Anforderungen erfüllen:
- Anschluss an die topologische Wende die mit Leibniz und Listing in der Mathematik eingeleutet wurde, und zu Beginn des 21. Jahrhunderts z.B. durch Lewin und Gurwitsch auch auf andere Disziplinen ausgeweitet wurde
- Weiterführung des transdisziplinären Anspruchs der Systemtheorie mit revidierter Systemarchitektur
- Anschluss an die topologische Diskussion in anderen Wissenschaftskreisen, wie dem japanischen, wo der "topological turn" schon eine längere und breitere Tradition hat