Das Japanische mit seiner Mischung aus Kanji und Kana korrekt zu lesen, scheint eine der größten Herausforderungen beim Lernen der Sprache zu sein. Ich versuche mal, einige Hilfen zu formulieren, nach denen ich persönlich beim Lesen vorgehe. Diese sollen einfach mal als Ausgangspunkt für die Diskussion dienen und
erheben keinen Anspruch auf Korrektheit und Allgemeingültigkeit oder Vollständigkeit.
Grundsätzlich gilt folgendes.
Kana - haben nur eine (moderne) Lesung (von Aussprachevariationen sehe ich hier ab, z.B. bei が)
Kanji - Lesung ist überwiegend mehrdeutig, selten eindeutig
Bleibt die Lesung der Kanji als Hauptproblem.
Kanji haben im Wesentlichen zwei Lesungsarten.
Kun-yomi
Im allgemeinen eine (z.B. die Kokuji, 国字) oder auch mehrere japanische Grundlesungen (Kun-yomi, 訓読み).
Sind Okurigana (送り仮名) vorhanden, sollte man also Kun-yomi wählen
Bei mehreren möglichen Kun-yomi geben die Okurigana einen Hinweis auf die wahrscheinliche Lesung (z.B. iku 行
く, okonau 行
う).
Es gibt Ausnahmen, bei denen unterschiedliche Kun-yomi gleiche Okurigana haben (z.B. 行く iku oder yuku).
Kun-yomi können auch von der Funktion im Satz, dem Kontext usw. abhängen.
Einige Okurigana können weggelassen werden (z.B. 送り仮名 und 送仮名).
Manche Komposita besitzen keine Okurigana, werden aber nach Kun-yomi gelesen.
On-yomi
Der überwiegende Teil der Kanji besitzt auch eine oder mehrere sinojapanische Lesungen (On-yomi, 音読み).
Kokuji haben meist nur Kun-yomi.
Man kann die On-yomi nach der Zeit ihrer Entlehnung noch unterteilen in Wu-Lesung (Go-on, 呉音), Han-Lesung( Kan-on, 漢音) und Tang-Lesung (Tou-in/-on, 唐音) bzw. Song-lesung (Sou-on, 宋音), zusätzlich gibt es noch gebräuchliche Lesungen (慣用音), die sich durch eine falsche Wiedergabe eingebürgert haben.
Nicht jedes Kanji hat alle Varianten.
Die meisten Kanji-Komposita werden nach On-yomi gelesen, am verbreitesten ist die Han-Lesung.
Die anderen On-yomi kommen nur in einigen fachsprachlichen Kontexten vor, bspw. im (zen-)buddh. Kontext.
Mischung aus Kun- und On-yomi
Ist selten, kommt aber vor, z.B. maiasa 毎朝, die Lesung maichou ist auch möglich.
Man unterscheidet dabei nach 重箱読み On-Kun-Lesung und 湯桶読み (Kun-On-yomi).
Also wenn man ein Wort lesen möchte, muss man je nach Kontext entscheiden, ob Kun- oder On-yomi.
Der Kontext ist dabei
* bekanntes Wort oder bekannter Wortteil
* bekanntes Kanji mit in dem Kontext bevorzugten Lesung
* mündlich oder schriftlich
* Okurigana vorhanden
* Fachtext
* ...
Je nachdem stellt man eine Hypothese auf, die man dann überprüft. Je mehr Vorkenntnisse an Kanji, ihren typischen Kompositalesungen usw. man hat, umso weniger Hypothesen braucht man, um zur richtigen Lesung zu gelangen
Teilweise hilft aber auch nur einen Muttersprachler zu fragen, aber selbst die sind manchmal überfragt.
Das Interessante ist ja eigentlich, wenn man nur etwas lesen möchte, dann ist es fast egal, wie die genaue Lesung lautet, weil man die Bedeutung aus bestehendem Wissen leicht interpolieren kann. Vielleicht vergleichbar mit den ganzen lateinischen und griechischen Wortbestandteilen in Mittel- und Westeuropa.
Erstmal soweit, ich bin gespannt, was es sonst noch für Tricks und Hilfsmittel gibt, dieses Problem zu lösen.