Untergeordnete Seiten
  • Die Welt der Lebewesen (Kinji Imanishi)
Zum Ende der Metadaten springen
Zum Anfang der Metadaten

Imanishi, Kinji (2002): Die Welt der Lebewesen. München.

Seite: 66-68

Verwendet man Wörter wie "Außenwelt" oder "Umwelt", klingt es fast so, als bestünde keinerlei Bezug zum Lebewesen. Doch tatsächlich ist "Umwelt" die oben beschriebene Welt des Lebewesens, und man könnte sagen, es ist der "Lebensraum" als der Ort, an dem das Lebewesen sein tägliches Leben führt.
Das es sich um den "Ort des täglichen Lebens" (seikatsu no ba) handelt, kann man natürlich davon ausgehen, daß eine gewisse räumliche Ausdehnung gegeben ist. Doch bezeichnet der "Ort des täglichen Lebens" nicht nur den Lebensraum. Vielmehr muß es sich dabei um eine Fortsetzung des Lebewesens selbst handeln; der "Ort des täglichen Lebens" muß bestehen aus einer Verlängerung des Lebewesens selbst. Da wir bislang die Angewohntheit hatten, die Lebewesen losgelöst von ihrer Umwelt zu betrachten und zum Beipsiel im Schaukasten aufgereihte Präparate als Lebewesen anzusehen, neigen wir vielleicht dazu zu glauben, auch die Umwelt under "Ort des täglichen Lebens" ließen sich jederzeit vom Lebewesen abtrennen, und es handele sich dabei um eine Art Bühne, auf der das Lebewesen sein Leben führt. Tatsächlich haben wir erst dann das echte, konkrete Lebewesen vor uns, wenn wir das Lebewesen und die als "Ort seines täglichen Lebens" verstandene Umwelt zusammennehmen. Erst dann haben wir auch das System, innerhalb dessen das Lebewesen entstehen konnte. "Ort des täglichen Lebens" ist meine Übersetzung des englischen Ausdrucks life field, doch vor dem Hintergrund des oben Gesagten erschiene es mir fast als passender, von "Ort des Lebens" (seimei no ba) zu sprechen. Im Englischen existiert nur das eine Wort life für "Leben"; im Japanischen jedoch ist es ein großer Unterschied, ob man vom "Leben" an sich (seimei) oder vom "täglichen Leben" bzw. "Alltagsleben" (seikatsu) spricht. So erscheint es mir angebracht, an dieser Stelle noch etwas näher auszuführen, was ich meinte, als ich weiter oben davon sprach, daß Lebewesen durch "Körper" (jap. shintai) und "Leben" (seimei) definiert sind.
Wenn man Lebewesen als durch "Körper" und "Leben" bestimmte Wesen bezeichnet, sind zwei Betrachtungsweisen denkbar. Die eine Möglichkeit ist, das Lebewesen ausschließlich als ein von der Umwelt losgelöstes System zu betrachten; die andere besteht darin, es als "Umwelt-Lebewesen" und somit als ein System aufzufassen, welches auch die Umwelt mit einschließt. Mit dem Ausdruck "Körper" bezieht man sich natürlich auf den materiellen Aspekt, und wenn man Lebewesen und Umwelt unter materiellen Gesichtspunkten betrachtet, so besteht da eine Art von Kontinuität, wie ich es zuvor auch am Beispiel der Nahrung gezeigt habe. Wenn wir also den Mut besitzen, "Nahrung" vorbehaltlos als Verlängerung unseres Körpers anzusehen, dann dürfen wir auch, ohne daß hierdurch ein logischer Widerspruch entstünde, "Nahrung" ruhig als eine Art Verlängerung des Lebens im Sinne von seimei) empfinden. Tatsächlich besteht ja auch unser Körper aus verschiedenen Teilen: Einerseits gibt es Teile, die, wie Kopfhaar, Körperhaare und Fingernägel, von uns eher als bloße Verlängerungen des Körpers wahrgenommen werden, andererseits gibt es Dinge wie ein künstliches Gebiß oder eine Brille, die eigentlich nur ein Hilfsmittel darstellen, jedoch häufig als ein Teil unseres Körpers empfunden werden und uns den Eindruck vermitteln, wir würde dort Empfindungen spüren. Diese Hilfsmittel haben wir geschaffen, um unseren Körper zu ergänzen. Es mag daher natürlicher sein, derlei Hilfsmittel als Verlängerung unseres Körpers anzusehen, als die Nahrung so zu betrachten. Dies heißt natürlich nicht, daß ich unseren Körper und die körperlichen Hilfsmittel, die wir entwickelt haben, als ein und dieselbe Sache betrachtete. Doch kann weder unser Leben für sich genommen als ein von der übrigen Welt losgelöstes, abgeschlossenes System bestehen. Deshalb gibt es auch keinen Grund, weshalb man Körper oder Leben unbedingt auf ein Individuum begrenzt betrachten müßte. Zwar benötigen sowohl Körper als auch Leben das Individuum als Zentrum, doch stellt dieses Individuum nur das Zentrum dar, und von diesem Zentrum aus dehnen sich Körper wie Leben auf ihre Umgebung aus, so daß sie sozusagen etwas "Field-artiges" sind. Deshalb scheint es mir die treffendere Auslegung zu sein, Körper und Leben als etwas zu begreifen, dessen Grenzen, konkret betrachtet, nicht klar umrissen sind. Insbesondere bezüglich der Auffassung von dem, was "Leben" ist, halte ich die abstrakten Ausführungen, die bislang üblich waren, für unzureichend. Meines Erachtens ist der beste Weg der, nach einer Sichtweise von "Leben" zu streben, die "Leben", auf der Grundlage einer gründlichen Erfassung der materiellen Basis des Lebens, als über "Körper" und "Leben" definiert, versteht; dabei wird quasi das im Individuum gefangene "Leben" befreit, und man geht davon aus, daß "Leben" etwas ist, was über Ausdehnung in der Welt verfügt. So gelangen wir zu der Schlußfolgerung, daß die Welt eben deshalb, weil sie so beschaffen ist, unsere Welt sein kann.

  • Keine Stichwörter