...
Die nächste Abbildung zeigt nun die Veränderung vom relationalen Raumverständnis (links im Bild) zum topisch-henadischen, bei dem Menschen, Lebewesen und soziale Güter als Teil eines Feldes betrachtet werden - als das „Feld, in dem man sich befindet".126 In dieser auf der japanischen Lehre des Ortes127 basierenden Feldvorstellung verlaufen die Beziehungen zwischen den Knotenpunkten („Ich", „Du" etc.) nicht ketten- oder netzartig direkt (siehe links im Bild), sondern über den Ort, in dem man sich gemeinsam trifft. Japanische Philosophen und Sozialpsychologen verstehen das „Im Ort sein" eines Einzelnen als „Durchlässig-Sein für den Ort" und alles in ihm Befindlichen und lehnen somit die Vorstellung von einem Gegenüberstehen von Einzelnem und Ort ab.128
Abbildung 17: Polyzentrisches Netz (links) und topisches Netz als Feld (rechts), nach Latka, 2003, S. 227 und 245
Die folgende Abbildung zeigt nun im Überblick die skizzierten vier Raumverständnisse gleichnishaft gedacht in „künstlerischen" Darstellungen: Oben der absolute Raum mit seinen festen Grenzen, dicht gefüllt und in der christlichen Vorstellung von Gott als Schöpfer geschaffen und von seinem Geist und Segen durchdrungen; im Gegenuhrzeigersinn daneben der relative Raum, der zwar im Einzelnen noch feste Grenzen kennt, aber sich ins Unendliche „verliert" und wo zwischen den einzelnen Räumen eine Leere und damit die Denk-Möglichkeit des leeren Raumes entsteht; dann folgt der relationale Raum, bei dem eine Verortung des Einzelnen nur in Relation zu anderen Lebewesen und sozialen Gütern erfolgen kann, wodurch die Vernetzung von Knotenpunkten das Einzelne als Gegenüber des Vielen und der Welt, Umwelt erfahren wird; und schliesslich rechts aussen die feldhaft vernetzte, topisch-henadische Raumvorstellung, bei der das Einzelne sozusagen aus dem Ganzen hinauswächst (grosse Steine), sich expliziert, im Feld befindet und über das Feld (im Bild als gestalteter Kieselstein-Grund gezeigt) mit anderen Einzelnen und dem Ganzen verbunden ist. 129 Das Feld wird dabei erkennbar als Atmosphäre, welche den Ort auszeichnet und das im Ort Befindliche durchdringt. Hier sind die Dinge nicht direkt miteinander verbunden wie beim Atomium, sondern über ein gemeinsames räumliches Feld in Beziehung zueinander gestellt. Jedes Element hat selber ein Feld (kreisförmige „Umrahmung" der grossen Steine), wie auch die Gesamtheit eines hat. Wie Latka betont, geht es also nicht um ein Vereinahmen des Einzelnen durch das Ganze (Kollektivismus).130 Das Einzelne kann vielmehr in der Gesamtheit seine Einzigartigkeit bewahren.
Abbildung 18: Künstlerische Metaphern für die vier zentralen abendländischen Raumvorstellungen
...
Neuere Überlegungen zum relationalen Raumverständnis131 erkennen das feldhafte immer mehr. Verbindet man nun die skizzierten japanischen Vorstellungen von Ort, Raum und Durchdringung mit Kernelementen der Nachhaltigen Entwicklung und vor allem der Quantentheorie, so kommt es sozusagen zu einem „Quantensprung" in der Raumauffassung (oben im Bild). Reduzierte sich der Energiebegriff immer mehr (Achse nach hinten), so wird er nun wieder umfassend und ganzheitlich, den Lebensraum durchdringend gesehen, wie die Information. Diesbezüglich entsteht eine gewisse Nähe zu Vorstellungen des absoluten Raumes. So zeigt auch die Abbildung, wie die Theorie dazu, dass die vierte Raumauffassung (oben im Bild) nicht einen Bruch vollzieht, sondern als Weiterentwicklung der Bisherigen zu verstehen ist.
Abbildung 19: Entwicklungslinien zwischen zentralen abendländischen Raumauffassungen
...