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(Manuskript, Dr. Thomas Latka, München 2008)

Was sind Aufstellungen?

Aufstellungen sind räumliche Anordnungen von untereinander unbekannten Personen, die als Stellvertreter für eigene Familienmitglieder ausgewählt und aufgestellt werden. Diese Stellvertreter werden räumlich aufgestellt und erleben Stimmungen und Kräfte, die eigentlich nur in der tatsächlichen Familie spürbar sind.

Was soll eine Aufstellungstheorie leisten?

Eine Aufstellungstheorie muss zumindest prinzipiell erklären, wie es zu so einem (unerklärlichen) Phänomen kommen kann. Warum erzeugt allein die räumliche Aufstellung von Unbekannten ein soziales Feld, in dem sie Gefühle und Kräfte wahrnehmen, die sie eigentlich gar nicht kennen können?

Auf welche Wissenschaft müsste sich eine Aufstellungstheorie gründen?

Da es sich bei einer Aufstellung um eine Situation handelt, in der mehrere Personen zusammenkommen und interagieren, ist zunächst einmal eine Wissenschaft dafür zuständig, die sich mit der Begegnung und Interaktion von mehreren Personen beschäftigt: die Soziologie.

Was kann die Soziologie zur Aufstellungsarbeit sagen?

Wenn man innerhalb der Soziologie nach Theorien oder Modellen sucht, mit denen räumliche Aufstellungen erfasst werden können, dann stellt man zunächst fest: der Raum als sozialer Raum hat in der Geschichte der Soziologie keine große Beachtung gefunden. D.h. eigentlich war die gesamte Soziologie immer raumblind, man spricht sogar von der "Raumvergessenheit" der Soziologie.

Wie kommt es zur Raumvergessenheit der Soziologie?

Die Raumvergessenheit im allgemeinen ist ein grundlegendes Kennzeichen unserer modernen neuzeitlichen europäischen Philosophie und Folge der analytischen Trennung von Raum und Zeit und dem Focus auf der Zeitbegriff.

Wie kann man die "Raumvergessenheit" der Soziologie überwinden?

Ca. seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts spricht man von einem spatial turn in den Gesellschaftswissenschaften, der den ausgeblendeten Raum wieder in den Kern der Beobachtung und Theoriebildung zurückholen will. So gibt es mittlerweile einige Arbeiten und sogar Habilitationen, die den Raum in der Soziologie rehabilitieren (Löw, Schroer).

Welche Raumverständnisse muss die Soziologie unterscheiden?

Damit der Raum in der Soziologie angemessen verstanden werden kann, ist es wichtig vier grundlegende Raumvorstellungen zu unterscheiden, darunter inbesondere den Unterschied zwischen einem relationalen und einem topischen Raum.
Die meisten der soziologischen Arbeiten bleiben bisher bei einem relationalen Raumbegriff stehen, ohne dass der topische Raumbegriff ausreichend gewürdigt wird. Daher ist in der Soziologie der "spatial turn" nicht ausreichend. Hier darf man nicht auf halben Weg stehenbleiben, sondern muss weiter auch eine Topologische Wende ("topological turn") stattfinden.

Was sind die Hauptaussagen einer soziologisch fundierte Aufstellungstheorie?

Die Hauptthesen einer soziologisch fundierten Aufstellungstheorie könnte man wie folgt zusammenfassen:

  • Jedes soziale Gruppe (jedes soziale System) hat auch eine topische Qualität, d.h. eine soziale Gruppe erzeugt auch ein Feld, das eine bestimmtes räumliches Muster hat. (Feld-Phänomen)
  • Wenn man beliebige einander unbekannte Personen in eine räumliche Aufstellung bringt, die einem räumlichen Muster einer sozialen Gruppe ähnelt, dann können diese aufgestellten Personen dieselben Gefühle empfinden, wie die Personen, für die sie stehen. (Stellvertreter-Phänomen)
  • Darüberhinaus kann durch gezielte therapeutische Umstellung der Personen auch Prozesse eingeleitet werden, die auch auf die Personen der Ursprungsgruppe zurückwirken. (Rückwirkungs-Phänomen)

Die Aufstellungstheorie kann aus folgenden Denkschritten bestehen:

1. Die soziale Einheit

Die Mitglieder des aufzustellenden Systems bilden eine soziale Einheit, d.h. ein soziale Ganzheit.
Betont werden muss, dass nur solche sozialen Gruppen aufgestellt werden können, d.h. soziale Ganzheiten, die sich als Gestalt erkennen lassen. Darunter fällt z.B. die Familie oder auch Firmenabteilungen bzw. längerdauernde Projektgruppen.

2. Die räumliche Gestalt sozialer Systeme

Jedes soziale System hat eine räumliche Gestalt.
Jede erkennbare Ganzheit lässt sich auch als räumliche Gestalt ausdrücken, d.h. hat einen räumlich repräsentierbaren figurativen Aspekt. Insbesondere soziale Ganzheiten verfügen über eine räumliche Gestalt, auch wenn diese nie sichtbar manifestiert wird.

3. Resonanzen zwischen räumlichen Gestalten

Jede räumliche Gestalt kann in Resonanz mit einer anderen hinreichend ähnlichen räumlichen Gestalten treten.
Sind Gestalten hinreichend ähnlich, dann kann es eine Resonanz beider geben. Diese Resonanz ist Bedingung dafür, dass zwischen den Gestalten ein beidseitiger Informationsfluss stattfinden kann. Dieser beidseitiger Informationsfluss kann als in einem Informationsfeld befindlich gedacht werden.

4. Die räumliche Gestalt der Stellvertreter

Das Aufstellen von einander unbekannten Stellvertretern erzeugt eine räumliche Gestalt.
Die Stellvertreter werden vom Klienten und/oder Aufsteller und/oder durch die vom Stellvertreter wahrgenommenen Kräfte selbst in eine räumliche Gestalt geführt.

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Literatur zur Aufstellungstheorie

  • Baecker, Dirk (2007): Therapie für Erwachsene: Zur Dramaturgie der Strukturaufstellung. in: Torsten Groth, Gerhard Stey (Hrsg.): Potenziale der Organisationsaufstellung: Innovative Ideen und Anwendungsbereiche. Heidelberg: Car-Auer 2007, S. 14-31. http://homepage.mac.com/baecker/papers/therapie.pdf
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