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JPP


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Joined: 01/11/2011 13:22:17
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Liebe Wadoku-Community,

wie wir alle wissen, verfügt das Japanische über eine sehr stark ausgeprägte Diglossie und in dieser wiederum über eine Vielfalt von Ausdifferenzierungen, die ihresgleichen sucht. Wadoku bringt hier Ordnung hinein, indem Tags verwendet werden, die ja gerade für die mit dem Japanischen noch nicht so sehr vertrauten Nutzer sicherlich sehr wertvoll sind.
Anlässlich des Lexems 「残涙」frage ich mich erneut, ob man das Register solcher Ausdrücke mit {lit.} und {poet.} ausreichend erfasst. Auch frage ich mich, ob es ausreichen würde, hier ein {altertüml.} zu ergänzen, um die Spezifität des Registers wirklich zu erfassen. Diese scheint mir nämlich gerade darin zu liegen, dass es sich um einen schriftsprachlichen, poetischen Ausdruck handelt, der unmissverständlich auf die Tradition der chinesischen Dichtung verweist. Der Ausdruck an sich ist natürlich leicht verständlich, doch findet er sich nur in sehr wenigen Wörterbüchern und auch bei 少納言 finde ich nur ein einziges Verwendungsbeispiel. Weiterhin beschränkt sich dieser Umstand nicht auf 「残涙」, sondern auf viele Ausdrücke von Autoren, die von der chinesischen Lyrik geprägt sind. Bei Sōseki, Tanizaki, Akutagawa u.v.m. trifft man ständig auf Ausdrücke, die man so nicht oder nur kaum in einem Wörterbuch findet. Ich erinnere mich noch sehr gut an eine meiner ersten Akutagawa-Lektüren, bei der ich fast verzweifelte, weil mir keines meiner Wörterbücher sagen wollte, was 「曛」 heißt, doch Akutagawa vom 「曛日」 schrieb. Hier hilft kein noch so gutes 辞典, nicht einmal das 日本国語大辞典, sondern nur (漢和)字典, und um 「曛」 in den Text zu kriegen ist man mit einem Wechsel zur chinesischen Tastaturbelegung auch sehr viel schneller, als wenn man「クン」auf Japanisch eingibt und sich dann erst einmal durch den Homophondschungel scrollen muss – bei anderen Zeichen aus dem Kontext der chinesischen Lyrik, die durchaus von Japanern verwendet werden, führt die Suche in der Homophondschungelscrollleiste manchmal gar nicht zum Ergebnis, da die japanische Tastatur, wie ja auch die 辞典, einfach nicht alles aufführt, was tatsächlich im Japanischen in Verwendung ist. Bitte entschuldigt die Anekdote, ich möchte damit illustrieren, wie sehr derartige Ausdrücke sich am Rande des Japanischen bewegen – eine Beobachtung, die natürlich auch auf schräge Latinismen/Gräzismen der deutschen Wissenschaftssprache zutrifft; im Japanischen aber, sind derartige Ausdrücke, die sich an der Grenze der eindeutigen Zuordnung zu einer Sprache befinden, jedoch nicht nur das Unterfangen von ein paar akademischen Freaks, für die sich die breite Masse eh nicht interessiert, sondern über die (kanonisierte) Literatur Teil des vergleichsweise breit rezipierten kulturellen Erbes und damit integraler Bestandteil der Sprache, auch wenn die geläufigen Wörterbücher da hinterherhinken bzw. meinen, dass sie solche Ausdrücke nicht zu behandeln hätten, weil dafür ja die 漢和字典 zuständig seien.
Was ich schließlich vorschlagen möchte, ist Folgendes: Wie wäre es, wenn man auf Wadoku einen neuen Tag einführte, der sich explizit auf derartige Ausdrücke aus dem Kontext der chinesischen Lyrik bezieht. Man könnte ihn bspw. {Kanshiausdruck} bzw. {kanshipoet.} nennen. Den Vorteil, den ich in so einem Tag sehen würde, bestünde einerseits darin, dass der Nutzer das nachgeschlagene Wort sofort effizient einordnen kann und andererseits auch darin, dass die Distinktion von Schriftsprache und gesprochener Sprache innerhalb der poetischsprachlichen Ausdrücke differenzierter erfasst werden kann. Beispielsweise finden sich bei Wadoku unter {poet.} gar nicht wenig Ausdrücke, die man auch in der gesprochenen Sprache problemlos verwenden kann bzw. dort zumindest verstanden werden – was die Ausdrücke, die der chinesischen Lyrik entstammen, jedoch auszeichnet, ist, sofern es sich denn nicht um (unter Japanern) sehr populäre Gedichte handelt, dass die Bezeichnungen nur zusammen mit den Zeichen verständlich sind: wohl kein Mensch wird das gesprochene 残涙 verstehen, es wird nur ein 残類oder ein 残塁 bei ihm ankommen. Noch stärker gilt dies für 曛日(くんじつ): Das versteht wirklich niemand, der es nicht sieht, und selbst wer es sieht, versteht es nur, wenn er in der chinesischen Lyrik bewandert ist. Diese Spezifität des Ausdrucks, also das Zusammentreffen von poetischer Qualität mit »Sinizität« und die daraus resultierende ausschließliche Schriftsprachlichkeit des Ausdrucks sowie sein nahezu exotischer Status innerhalb des Japanischen (→ nicht einmal lexikalisiert), schlage ich daher vor als solche zu bezeichnen. Kann die Community dem etwas abgewinnen?

Herzliche Grüße
JPP

胡蝶の夢
 
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