In der abendländischen Philosophiegeschichte ist im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts das Interesse und Verständnis für asiatische, zumal japanische Raumphilosophie gewachsen. Darüber wurde in einer eigenen Studie ausführlich berichtet. \[104\] Ist es Zufall, dass dies zur gleichen Zeit geschieht, in der die quantenphysikalischen Erkenntnisse immer mehr an Tiefe und Einfluss gewinnen oder bestehen hier „innere, west-östliche Verbindungen". Dieser Frage nachzugehen ist eines der Hauptmotive gewesen, die vorliegende Studie zu verfassen. In diesem Zusammenhang sind die Analysen und interkulturellen Vergleiche von Thomas Latka aufschlussreich. Er unterscheidet drei Sozialsystemmodelle: das „operative", das „retiv, polyzentrische" und das „retiv, topische"105. Im Blick auf operative Systemmodelle betont Latka, dass diese auf der Basis einer zeitlichen Grundkonstruktion beruhen. „Luhmanns eigentliche Leistung besteht demnach darin, von der Substanz auf Zeit als zentrale Grösse zu wechseln. Nicht mehr die simultan agierenden Individuen sind als Substanzen Gegenstand der Soziologie, sondern das zeitliche Nacheinander der kommunikativen Operationen."106 Doch welche Rolle spielt hier der Raum? Er erschien für die Sozialsystem-Modellierung lange Zeit wenig attraktiv und, wie oben erwähnt, konnte Luhmann selbst mit ihm wenig anfangen. Andere Wege der Raum-Wahrnehmung sind im retiv-topischen Systemtyp erkennbar, der philosophisch betrachtet nicht vom Raum, sondern vom Ort (japanisch „basho") ausgeht. Im Blick auf die Systemmodellierung schreibt dann Latka: „In Anlehnung an die Unterscheidung zwischen einem polyzentrischen und topischen Netzverständnis soll hier zwischen einem relationalen und einem topischen \[85\] Raumverständnis unterschieden werden."107 Die relationale Raumvorstellung ordnet er als bildhaftes Modell dem Netz zu und bezeichnet demgemäss diesen Systemtyp als „retiv, polyzentrisch".108 Diese vierte Raumvorstellung wird hier, in Anlehnung an Latka, „topisch- henadische Raumauffassung" genannt.109 Damit wird der Aspekt der Ganzheitlichkeit stärker herausgestrichen (siehe Kapitel über das Grundmodell des ganzheitlich-nachhaltigen Managements). Bei diesem Raumverständnis sind Raum und Körper/Masse/Materie nicht, wie im absoluten und relativen Raum, dualistisch zu verstehen und auch nicht „nur" als relationale Anordnung von Körpern im Raum. Dieses retiv-topische Modell verweist vielmehr „auf einem sozial erlebbaren Raum, welcher als soziales Feld bzw. Atmosphäre erfahrbar wird. <...> Die Feld-Metapher des Raumes soll verdeutlichen, dass die Raumpunkte selbst vom Raum durchdrungen werden können, d.h. das Verbindende zugleich das Durchdringende ist."\[110\]