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Topisches Raumverständnis

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Neben einem relationalen Raumverständnis, wie es für die westliche Moderne kennzeichnend ist, soll auch ein weiteres Raumverständnis aufgezeigt werden, das im Folgenden als topisches Raumverständnis bezeichnet und als Feld ausgelegt wird.
Ein topisches Raumverständnis beruht auf einem sozial erlebbaren Raum, welcher als soziales Feld bzw. Atmosphäre erfahrbar wird. Im Unterschied zum rein relationalen Raumverständnis wird der Raum nicht primär als ein Relationsgefüge verstanden, sondern vor allem als ein durch die Raumpunkte aufgespanntes Feld. Versucht man die Verbindung der Raumpunkte dennoch über Relationen abzubilden, dann erhält man „topische Relationen", die im Unterschied zur direkten gerade Verbindung zweier Raumpunkte „über das Feld laufen" und daher als zwei sich schneidende Geraden visualisiert werden können.
Die Feld-Metapher des Raumes soll verdeutlichen, dass die Raumpunkte selbst vom Raum durchdrungen werden können, d.h. das Verbindende zugleich das Durchdringende ist. Deshalb liegt auch die Schwingungs- und Resonanz-Metapher nahe, denn die Vorstellung, dass Schwingungen Raumpunkte durchdringen, welche damit in Resonanz geraten, ist physikalisch greifbar.
Ein derart topisches Raumverständnis ist insbesondere in Japan entwickelt worden, wo die Philosophie des Felds bzw. Ortes eine viel längere Tradition hatte wie bei uns. Doch umso erstaunlicher ist es, wenn sich auch in der westlichen Tradition Stimmen finden lassen, die ein ähnliches Raumverständnis erkennen lassen. Gosztonyi fasst nach seiner über tausendseitigen philosophischen Untersuchung über den Raum seine Position gerade in Absetzung zu zahlreichen klassischen Positionen wie folgt zusammen: „Raum ist ‚reine Konduktivität'." „Er ist - auch methodisch - von der ‚Schwingung' nicht ‚abtrennbar', das heißt aber, er ist ‚Schwingung'." (Gosztonyi 1976: 1255) Mit der Schwingungsmetapher versucht auch er deutlich zu machen, dass der Raum zugleich den Menschen durchdringen kann: „... der Raum ... wirkt nämlich in ihm - und nicht etwa ‚um' ihn - und zwar als Spannung, der der Mensch ununterbrochen ausgesetzt ist." (Gosztonyi 1976: 1017)
Sucht man in der westlichen Soziologie nach Anschlussmöglichkeiten für ein topisches Raumverständnis, dann darf neben Kurt Lewin und seinem Schüler Junius Brown sicher auch Pierre Bourdieu nicht fehlen, der mit der Berufung auf den Feldbegriff eine radikale Wendung in der Sozialwissenschaft fordert: „Das Denken in Feldbegriffen erfordert eine Umkehrung der gesamten Alltagssicht von sozialer Welt, die sich ausschließlich an sichtbaren Dingen festmacht ... In der Tat: Wie die Newtonsche Gravitationstheorie nur im Bruch mit dem Cartesianischen Realismus, der keinen anderen Modus physischer Aktionen als den Stoß, den direkten Kontakt, anerkannte, zu entwickeln war, so setzt auch der Feld-Begriff einen Bruch mit der realistischen Vorstellung voraus, die den Effekt des Milieus auf den der direkten, in einer Interaktion sich vollziehenden Handlung reduziert." (Bourdieu 1985: 71)
Gerade weil sich für Bourdieu das Feld nicht auf die darin sich vollziehenden Interaktionen reduzieren lässt, fordert er, das Feld als eigene Wirkungsgröße zu beachten und in den „Mittelpunkt der Forschungsoperationen" zu stellen. Mit dieser Forderung reiht sich Bourdieu ein in das soziologische Bemühen um die Weiterentwicklung eines topischen Raumverständnisses. Mit den Beispielen von Gosztonyi und Bourdieu sollte nur auszugsweise angedeutet werden, dass es auch in der westlichen Philosophie und Soziologie - wenn auch aus unterschiedlichsten Motiven - Annäherungen an ein topisches Raumverständnis gibt, das sich vom relationalen Raumverständnis deutlich unterscheidet.

Topological Turn in der Systemtheorie

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Ein Systemmodell, dass auf einem topischen Raumverständnis beruht, kann als topisches System verstanden werden. Es unterscheidet sich deutlich von Systemmodellen, die auf einem relativistischen Raumverständnis fußen, und in denen die kürzeste Verbindung zwischen den Knoten die effizienteste ist. Topische Systeme brauchen den Raum zwischen den Knoten als Verbindungsfeld. Topische Systeme kann man sich daher auch als Felder vorstellen, die sich durch die Relationen wie bei einem Regenschirm aufspannen. Eine Systemtheorie, die ausgehend vom retiven Modell diese Wende zur topischen Bestimmung vollzieht, hat den „topological turn" geschafft. Insofern verursacht der „topological turn" in der Systemtheorie eine Annäherung von Sytem- und Feldtheorie, mit ihr je eigenen Logiken. Wie diese Begegnung ausgeht, muss hier noch offen gelassen werden. Aber die Notwendigkeit einer solchen Begegnung ist schon mit dem „spatial turn" in den Gesellschaftswissenschaften eingeleitet.

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Abbildung zentraler Begriffe

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Literatur

Bourdieu, Pierre (1985): Sozialer Raum und „Klassen". Frankfurt a.M.

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